Ein deutsches Partnerbüro bat uns in diesem Fall, etwaige Nachkommen eines 1919 nach Brasilien ausgewanderten Deutschen zu suchen, denen gegebenenfalls Eigentumsrechte an einem Grundstück in Ostberlin zustehen würden. Mit Hilfe des Nationalarchives in Rio de Janeiro konnten wir die Einwanderungsliste einsehen und feststellen, dass der Erblasser 1919 von Deutschland kommend, in die damals prosperierende brasilianische Hafenstadt Santos einwanderte. Er verließ sein Heimatland wahrscheinlich aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation nach dem 1. Weltkrieg und suchte in Brasilien einen Neuanfang.
Durch die Hilfe unseres Mitarbeiters Rosskamp vor Ort, der sämtliche Einwohnermeldedaten im betreffenden Zeitraum durchstöberte sowie historische Korrespondenzen des Honorarkonsulates in Santos aushub, fanden wir ein Telex des Emigranten aus dem Jahre 1932 an seine in Deutschland verbliebene Schwester, der er darin kurz mitteilte, dass „die Arbeit auf den Bananenplantagen mühsam und schlecht bezahlt sei; auch leide ich unter ständigem Fieber und sorgt sich meine Tochter Maria jedoch um mich“.
Wir wussten nun, dass der Erblasser eine Tochter hatte, die Maria hieß, und mit Hilfe des örtlichen Standesamtes gelang es uns, sämtliche Geburten in Santos einzusehen und tatsächlich wurde 1925 eine Tochter des Erblassers geboren. Wir gingen nun daran, die Eheschließung zu finden, was uns relativ schnell gelang, wobei die Freude dabei allerdings nur von kurzer dauer war, da die Tochter den wohl gebräuchlichsten brasilianischen Namen überhaupt nach ihrer Hochzeit annahm: Maria Santos.
Da es unmöglich schien, diese Dame zu finden, von der wir ja nicht einmal wussten, ob sie noch lebte, kamen wir auf die Idee, den außerhalb der Stadt gelegenen protestantischen Friedhof um eine etwaige Sterbeurkunde nach dem Erblasser zu ersuchen, da wir annahmen, dass dieser auch nach seiner Emigration nach Brasilien nicht zum Katholizismus wechselte.
Tatsächlich fanden wir den Sterbeeintrag des Erblassers mit dem Verweis, dass dieser 1947 mittellos verstorben war und die Stadt mangels Verwandter das Begräbnis bezahlte.
Maria Santos war also verschwunden und wir sahen unsere letzte Möglichkeit, einen örtlichen Aufruf in den lokalen Medien (Radiostationen, Zeitungen) zu starten, der jedoch auch keinen Erfolg brachte.
Schlussendlich fanden wir den Leiter des örtlichen Armenhauses, der sich – 94-jährig – noch an den Erblasser erinnerte, da dieser bis zu seinem Tod dort wohnte.
Er schilderte uns die schwierige Situation der Familie und wusste, dass der Erblasser eine Tochter namens Maria hatte, die sich als Putzfrau verdingte. Glücklicherweise konnte er uns noch die Adresse des damaligen Arbeitgebers nennen, sodass wir dessen Kinder aufsuchten, die Maria Santos noch kannten. Diese berichteten uns, dass die Tochter des Erblassers vor ca. 5 Jahren verstarb, jedoch 9 Kinder hatte, wovon eines für die Stadtverwaltung arbeitet.
Die Suche nach diesem Enkelkind des Erblassers ging schnell und berichtete uns der Enkel noch von einer ebenfalls bereits verstorbenen Tante, die ca. 300 Kilometer entfernt auf einer Bananenplantage ihr Leben mehr schlecht als recht fristete.
Schlussendlich stellte sich heraus, dass die beiden Töchter des Erblassers insgesamt 17 Kinder hatten. Nach weiteren Recherchen stießen wir auf über 55 Erben, wovon die Wenigsten lesen und schreiben konnten.
Eine Tochter des Erblassers hatte einen waschechten Indianer geheiratet, mit dem sie 13 Kinder hatte; mit diesen mussten wir zu einem örtlichen Notar die Unterschriften mittels Fingerabdruck beglaubigen lassen.
Zog sich dieser Fall auch über ein dreiviertel Jahr hin, so ist es uns schlussendlich doch gelungen, den vielen Erben in Brasilien eine finanzielle Hilfe zu geben; mit dem ihnen zufallenden Geld kann sich jeder von ihnen ein eigenes Haus und ein Stück Land kaufen, waren sie doch bisher als „moderne Sklaven“ finanziell von dem Großgrundbesitzer abhängig.